Kapitel 1: Wie alles begann, mit Fürmann…

Kolumne Kapitel 1: Wie alles begann, mit Fürmann…

Unsere Kolumnistin Julia Meisner ist mittlerweile Anfang 30 und hat es in ihren Zwanzigern ordentlich krachen lassen. Damit diese Erfahrungen nicht umsonst waren, lässte Sie uns monatlich an den Anekdoten ihrer Single-Zeit teilhaben und verrät, was ihr modisches Herz heute zum Schlagen bringt...

Mein schwuler Freund S. – pardon, aber S. ist schwul und das Wort Freund könnte sonst zu Verwirrungen führen – kam an einem Samstagabend zu mir, um ein Projekt fertig zu schreiben. Wir fühlten uns sehr vorbildlich – Arbeiten am Samstagabend! Wollten uns aber für unseren Fleiß belohnen und ein Glas Wein zur Arbeit trinken. Wir waren ja mittlerweile so erwachsen, dass man ein Glas Wein einfach als Genussmittel trinken konnte. Ich bekräftigte diese Idee damit, dass ich ab und an mit meiner Freundin M. ein Bier zum Feierabend trinken würde. Wir kauften dann zwei Flaschen Wein – für den Fall, dass wir nach getaner (!) Arbeit noch ein Glas Wein trinken wollten. (Ich musste im Supermarkt unweigerlich an eine Phase im letzten Sommer denken, in der ich im Kampf gegen Liebeskummer jeden Abend zwei Flaschen Weißwein allein trank und mir damals Sorgen machte, als ich in eben jenem Supermarkt stand und mich ernsthaft fragte, ob mir allein wohl zwei Flaschen genügen würden.)
Es kam, wie es kommen musste: S. und ich leerten die zwei Flaschen Wein im Handumdrehen und kamen gerade soweit, dass S. die Rechtschreibung meiner bisher sehr mittelmäßigen Präsentation korrigieren konnte. Als der Weißwein zur Neige ging, war nur noch der Gin von der letzten Party zu finden. Ja, ein hartes Los. In diesem Moment kam auch meine damalige Mitbewohnerin C. nach Hause.

„Willst du einen mit uns trinken?“ „Nein, ich habe Bronchitis. Ach naja kommt, ich rauche eine mit euch!“

Das Ende vom Lied: Gemeinsam tranken wir den Gin, sangen und tanzten in der Küche. Der Abend war famos und wir sternhagelvoll. Gegen drei Uhr saßen wir im Taxi auf dem Weg in einen Berliner Schwulenclub. Ich schrieb, wie ich am nächsten Tag entdecken sollte, meiner Affäre vom letzten Sommer eine SMS und meinem Ex-Freund von vor drei (!) Jahren. Beide würden denken, dass ich noch wahnsinnig an ihnen hing. Dass ich nach zwei Flaschen Weißwein meistens an der Dramatik hing und meinem halben Telefonbuch schrieb, begriffen sie wahrscheinlich auch. Im Club angelangt, scheiterte ich an dem Versuch, mit einer Lesbe zu flirten, beleidigte einen Gehörlosen (dem ich nämlich nicht glauben wollte, dass er gehörlos sei) und ließ mir von meiner Mitbewohnerin Tonic als Gin Tonic andrehen.

Und ja, jetzt kommen wir zu Fürmann.

Irgendwann gegen sieben saß ich in einer Ecke und beobachtete die tanzende Masse. Da kam ein gutaussehender Typ zu mir und fragte mich, ob ich nicht tanzen wolle. Wollte ich nicht! Er sah mich an: „Ach, komm schon.“ Nach nicht allzu langer Zeit küsste ich ihn einfach, weil ich nämlich wirklich nicht tanzen wollte, aber durchaus knutschen. Mir fiel sogar in meinem betrunkenen Kopf auf, dass er irgendwie besonders höflich war. Besonders war. Wir unterhielten uns, worüber weiß ich nicht mehr. Irgendwann flirrte ich durch die Gegend. Meine Freunde wollten gehen. Ich lief durch den Club, direkt auf ihn zu: „Also, wir gehen jetzt, kommst du mit?“ Er antwortete, ohne zu zögern: „Ja.“ Ein ziemlich klares, schönes Ja war das (Ja, ich bleibe länger – Ja, lass uns gemeinsam in den Urlaub fahren – Ja, ich finde dich toll.) „Allerdings wohne ich ganz in der Nähe, wo wohnst du denn?“ „In Charlottenburg.“ Er sah mich leidend an (Charlottenburg war mindestens 30 Minuten mit dem Taxi entfernt). „Aber ich wohne wirklich um die Ecke.“
„Tja, und ich in Charlottenburg.“ Ich würde ja gern behaupten, dass ich immer so bin, aber tatsächlich weiß ich nicht, woher ich an diesem Abend mein Selbstbewusstsein genommen habe: Weder küsse ich, ohne mit der Wimper zu zucken, fremde Männer, noch erteile ich Abfuhren und erst Recht frage ich eigentlich nicht nonchalant, ob sie mit zu mir kommen wollen. Die Taktik schien famos, ist aber leider nicht künstlich herzustellen – wie ich später schmerzlich feststellen musste. Kurzer Stopp an der Tanke. Bei Ankunft in Charlottenburg artete fast ein Streit im Taxi aus, weil ich unbedingt das Taxi bezahlen wollte und Fürmann offensichtlich auch. Keiner von uns beiden hatte den höflichen Gebrauch von „Ich zahle!“ – es war uns beiden ernst. Ich siegte und biss mir am nächsten Morgen kräftig in den Arsch.

Warum kämpfte ich bis aufs Blut darum, ein 40-Euro-Taxi zu bezahlen, während mein Dispo rot leuchtete?

Nun denn, die Finanzen stehen auf einem anderen Blatt und die restliche Nacht folgt ebenfalls im nächsten Eintrag. Heute jedoch würde ich die 40 Euro wesentlich lieber in verschiedene Säfte aus unserem Los Angeles Cold Press Store investieren, grade nach einer verkaterten Nacht, belebt mich der “Ginger Shot” (hat zum Glück nichts mit Gin Tonic zu tun, sondern doch viel mehr mit Ingwer!) wie nichts anderes …Schon mal probiert?

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Julia Meisner

Julia Meisner

Unsere Kolumnistin Julia Meisner ist mittlerweile Anfang 30 und hat es in ihren Zwanzigern ordentlich krachen lassen. Damit diese Erfahrungen nicht umsonst waren, lässte Sie uns monatlich an den Anekdoten ihrer Single-Zeit teilhaben und verrät, was ihr modisches Herz heute zum Schlagen bringt...