Kapitel 2: Er reserviert einen Tisch

Kolumne Kapitel 2: Er reserviert einen Tisch

Unsere Kolumnistin Julia Meisner ist mittlerweile Anfang 30 und hat es in ihren Zwanzigern ordentlich krachen lassen. Damit diese Erfahrungen nicht umsonst waren, lässte Sie uns monatlich an den Anekdoten ihrer Single-Zeit teilhaben und verrät, was ihr modisches Herz heute zum Schlagen bringt...

Es hätte ein Abend aus einer Serie sein können: Wir waren Mitte Zwanzig, tiefenentspannt und herrlich betrunken, was uns natürlich nicht daran hinderte, noch mehr Wein in der Küche zu trinken.(Eine gewisse Sentimentalität für diese Zeit macht sich aus Perspektive der wehenden 30er durchaus breit. Hello Krise!)Fürmann war geschätzt Mitte dreißig und hatte einen – im Nachhinein betrachtet – ziemlich coolen Job a la Arthouse-Produzent, was mich an diesem Abend allerdings nicht beeindrucken wollte. Musste es auch nicht, wir hielten – tatsächlich – Händchen und quatschten in der Küche mit meinen Mitbewohnern, bis die Sonne hochstand. Auf dem Weg ins Bett schnitt er sich an meinem kaputten Doppelfenster. Ich witzelte über ihn – mein Fenster war nun seit fünf Jahren kaputt und hatte vier riesige Partys mitgemacht und bisher hatte sich noch niemand daran geschnitten. Ich weiß noch, wie meine Freundin R. im ersten Jahr des Schadens zur Partyvorbereitung das gesamte Fenster abklebte. Schon damals fand ich das übertrieben und sie hatte es bei den folgenden Partys nicht mehr in Betracht gezogen. Nun ja, Fürmann stand bluttropfend vor mir und ich verarztete ihn lachend mit mehreren Pflastern. Noch heute trägt meine Matratze Blutspuren davon. Im Bett quatschten wir über Bücher, Familiengeschichten und Dramen, Abiturnoten, Lieblingsfächer, den Tod seiner Mutter, Freunde und das Leben. Sex hatten wir – jedenfalls soweit ich mich erinnern kann – gar nicht, war auch gar nicht mehr wichtig.

Dieser Abend war wahnwitzig romantisch, lustig und selbstverständlich leicht zugleich.

Als er am nächsten Morgen ging, fragte er nicht nach meiner Nummer, was mich auch überhaupt nicht störte. Telefonnumern austauschen war viel zu banal für unsere junge Liebe – der würde sich schon melden. Er hatte ja meine Adresse, meinen Facebook-Kontakt, meinen Namen. Und auch wenn nicht, wäre das überhaupt so schlimm? – fragte ich mich. Die Lässigkeit seiner Meldung gegenüber verringerte sich mit jedem Tag des Nichts-Hörens seinerseits. Dann sendete ICH ihm eine Anfrage auf Facebook. Kurzes “>Ach Hallo”, das war’s. Echt, ja? Kann man sich doch so täuschen über einen Abend? War das wirklich nur so eine “Nummer”? Ich war entäuscht.

Vier Wochen später. Silvester.

Um vier Uhr morgens erhielt ich eine Nachricht von ihm, die in etwa so lautete:

„Danke für den schönen und besonderen Abend. Du warst mein Highlight in diesem Jahr.“

Aha! Hatte ich also doch Recht gehabt. Da war doch wirklich etwas gewesen. Aber warum meldete er sich dann nicht? Schreibt man einer anderen Frau, dass sie ein Highlight im ganzen Jahr war, wenn man eigentlich vergeben ist? Das wäre schon ziemlich krass. Spricht man eine Frau einfach im Club an und geht mit, wenn man verheiratet ist? Nein, das konnte doch nicht sein. Es folgte eine angetrunkene, vielleicht auch betrunkene (Silvester um vier eben) Nachricht, weshalb wir uns dann nicht treffen würden? Ohne Antwort. Eine Woche später noch einmal die Frage an ihn. Und ja, natürlich angetrunken und natürlich nachts. Ein hartes Erwachen – schlimme Scham, kurze Entschuldigung an ihn, dass ich nun wieder nüchtern sei. Meine Güte! Das musste ja auch irgendwann mal aufhören! Ich versprach mir, erwachsen zu werden, überlegte, Facebook jetzt ein für alle mal zu löschen, nur noch ohne Handy auszugehen … da antwortete er! Vom therapeutischen Standpunkt betrachtet natürlich sehr schlecht: Fürmann ist ab jetzt also an jedem Schuld, dem ich im Anschluss jemals betrunken auf Facebook geschrieben habe. Er fragt, ob wir einen Drink nehmen wollen! Ja, wollen wir. Morgen? Kann er nicht. Freitag? Gerne, er reserviert einen Tisch. Es klang wie eine Zauberformel:

ER RESERVIERT EINEN TISCH.

Hach und nun muss ich es zugeben, Dates vermisse ich schon. Wobei man daten auch nur im Nachhinein vermisst. Während man drin steckt ist es grausig, man ist aufgeregt, einem wird übel, leichte Panik macht sich breit. Aber das vorherige “Outfit bestimmen” hat immer Spaß gemacht- einen Sekt trinken, lieber Turnschuhe oder Pumps? Kleid oder Jeans? Außerdem waren Dates immer ein guter Vorwand sich ein neues Teil zuzulegen. Ich habe beschlossen, damit ist jetzt Schluss! Ich date nächste Woche meinen Freund und zwar in diesem Kleid von Strenesse aus unserem Selected Labels Store – ist das nicht ein Traum?

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Julia Meisner

Julia Meisner

Unsere Kolumnistin Julia Meisner ist mittlerweile Anfang 30 und hat es in ihren Zwanzigern ordentlich krachen lassen. Damit diese Erfahrungen nicht umsonst waren, lässte Sie uns monatlich an den Anekdoten ihrer Single-Zeit teilhaben und verrät, was ihr modisches Herz heute zum Schlagen bringt...